Gedanken zu den 50

Vorgestern hatte ich Geburtstag, ich wurde 50. Ist es ein Tabu 50 zu werden? Es schien mir, frau darf es zwar werden – aber die Zahl – die muss gewaltig was im Gepäck haben, die spricht niemand aus. Auch geschrieben geht nicht. Ich bin einverstanden, die 50 ist komplex, aber es gibt für mich Nichts, das dazu nicht ausgesprochen werden könnte.

Richtig, ich verstehe nicht, was die Fältli in meinem Gesicht sollen. Völlig unnötig, für nichts zu gebrauchen. Dass ich extra zur Coiffeuse gehen muss um meinen Haaren zu zeigen, wie sie farblich spriessen sollten, find ich auch eher mühsam. Zumal sie überhaupt nicht intelligent sind. Mit der Zeit sollten sie doch verstanden haben, dass ihr Weissprogramm nicht gewünscht ist. Aber nicht die Spur von Selbstoptimierung.
Vergiss nicht, dass ich in Georgien lebe. Graue Haare bei Frauen sind hier ein klares Indiz für Ungepflegtheit. Und die Schweizerin, die sowieso genug Geld hat! Da gibts kein Pardon. Wobei ich sagen muss, mit farbvollen Haaren fühle ich mich tatsächlich wohler als mit farbleeren.

Aber egal wie man äusserlich durch die Strassen geht, ich finde mit 50 hat man noch ganz andere Verantwortungen. Letzten Winter hab ich ein kleines Bild, das am Kamin meines Vaters hing, nach Georgien mitgenommen: Die Tessiner Berge, der See, und ein Boot. Das starke helle Blau, das in Himmel, Bergen und Wasser so präsent ist, könnte sprühender und lebendiger nicht sein. Das Boot jedoch wartet.
Es wurde für mich zum Symbol für den Tod. Nicht nur mein Vater hat gehen müssen, auch mich wird das Boot eines Tages oder Nachts mitnehmen. Mit 50 sehe ich mich in der Verantwortung, meine mir noch verbleibende Lebenszeit adäquat zu gestalten. Mir und meinem Umfeld gerecht zu werden. Das braucht Mut, merke ich.

Mein Rezept geht so: Liebevolles Hinschauen und beharrliches Dranbleiben. An mir selber und es zulassen, keine Ahnung zu haben. Und genau der Ahnung folgen. Jeder Schritt wie ein Schritt aus dem Fenster. Einfach machen.

Zum Beispiel: Nach zwanzig Jahren wieder Farben kaufen. Pinsel und genug Papier. Kunstbücher aus dem Kasten holen.
Auf der grossen weissen Fläche entsteht ein Vogel. Ein Falke, oder was am Ende des Prozesses auch immer Gültigkeit reklamiert. Interessant, wie sehr ich das Gefühl hatte, das hätte in meinem jetzigen Leben keinen Platz. Und wie einfach es dann war, mit Wacho alles zu besorgen. Wie mühelos ich dafür in unserer Wohnung einen Ort fand und wie leicht mir die ersten Bleistiftstriche fielen.

Und in was anderes bin ich kurzum reingestolpert. Französische Humorist*innen! Es ist ja ein Phänomen, dass ich mich in der Ferne, in Georgien, so wohl fühle in der französischen Sprache. Es ist wie heimkommen, aber eben nicht ganz. Eine wundersame Variante.

Gad Elmaleh

Florence Foresti

Gad Elmaleh und Jamel Debouzze

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